Die Aussies an der Westküste sind irgendwie anders. Vielleicht liegt das auch an den Hostels, die hier hauptsächlich von Gelegenheitsjobbern (die ein Jahr „work and travel“ machen) frequentiert werden? Jedenfalls hab ich hier so viele verschrobene Leute getroffen wie auf meiner ganzen Reise vorher nicht. Man kann (und will) gar nicht alles erzählen, was hier in den Hostels so los ist. Leider ist Australien furchtbar teuer und mein Budjet endlich, so dass ich immer wieder in so komischen Unterkünften lande.
Zuerst das Hostel in Perth: Ein Schlafsaal so dunkel wie ne Höhle, die Leute darin passend dazu Höhlenbewohner. Ein nettes 150-Kilo-Mädel, das unbedingt wollte, dass ich alles, was ich nie hätte buchen wollen, über ihren Freund buche. In Erinnerung bleibt vor allem eine 18-jährige Nymphomanin, der wirklich gar nichts heilig war und in deren Gegenwart ich mich plötzlich steinalt gefühlt hab, weil ich die ganze Zeit dachte: „Oh je, ist das bei der heutigen Jugend normal? Was, wenn ich mal so eine Tochter hätte?“
Dann bin ich vorgestern runter nach Margret River gefahren (leider mal wieder mit dem Bus, da die Automiete für drei Tage jetzt zur Hauptsaison 320$ kostet!). Dort sollen der Wein und die Surfstrände erstklassig sein. Beides wollte ich unbedingt testen. Von Perth aus eine bezahlbare Unterkunft zu buchen war extrem schwierig; war dann froh, als ich ein Hostel gefunden hatte.
Es lag ziemlich weit außerhalb. Der Hosteltyp holte mich vom Bus ab. War jetzt, sagen wir, nicht so der enthusiastische Typ – für einen Australier ist das eher ungewöhnlich, für mich aber kein Problem. Das Hostel war irgendwie komisch. Kann gar nicht genau sagen, was merkwürdig war (war nicht außergewöhnlich dreckig oder sowas), aber ich dachte: „Das wäre ein guter Ort, um einen Horrorfilm zu drehen“ – und so fühlte ich mich dort auch ein bisschen. Vermutlich waren es die Leute, die kaum miteinander und mit mir gar nicht sprachen gepaart mit der Lage weit außerhalb der Stadt an einer trostlosen Straße. Ich hatte ein Vierbettzimmer für mich allein und war darüber sehr froh, wenn es auch etwas einsam war. Eigentlich hatte ich in Sachen Surfkurs buchen auf die Hilfe des Besucherzentrums oder Hostels gehofft. Das Besucherzentrum hatte aber schon zu, als ich ankam, und der Hosteltyp, nun ja. Ich fragte ihn, ob die vom Surfkurs auch hier hin kämen, um einen abzuholen (auf dem Flyer stand „free pick ups“), er meinte, wohl eher nicht. Das war’s dann auch mit der Hilfe.
Am nächsten Morgen war ich in dem rund 50 Betten umfassenden Komplex fast ganz allein; alle anderen vermutlich bei der Arbeit. Ich versuchte nochmal, die Surfschulen zu erreichen. Die eine sagte ab (zu weit, können mich nicht abholen), die andere war nicht zu erreichen. Ich fragte nochmal den Hosteltyp, ob er ne Idee habe, der guckte mich aber nur komisch an.
Bis 11 Uhr musste ich mich entscheiden, ob ich auschecke oder eine weitere Nacht bleibe. Ich war einerseits extra vier Stunden hier runtergefahren, um einen Surfkurs zu machen, und ob es eine andere billige Unterkunft hier gab, war unklar. Andererseits war ich mir ziemlich sicher, dass ich in diesem Hostel keine weitere Nacht bleiben möchte. Mal abgesehen davon, dass ich ohne Essen dann vermutlich auch hätte hungern oder in die Stadt wandern müssen. Ich entschied mich also für’s Auschecken. Der Hosteltyp war aber plötzlich (noch vor 11 Uhr) verschwunden, hatte die Rezeption abgeschlossen und ein paar Sachen von mir, die noch da drin gestanden hatten, einfach auf die Terrasse gestellt. Außer einer japanischen Putzfrau, die kaum Englisch sprach, war keiner mehr vor Ort. Irgendwie verstand sie mein Problem und rief den Hosteltyp für mich auf dem Handy an. Er ging aber nicht dran. Ich musste mich also zu Fuß mit meinem Gepäck auf den Weg machen (hatte zuvor noch schön ne 2-Liter-Milch für mein Müsli und Mineralwasser gekauft). Mittels Handy übersetzte die hilfsbereite Putzfrau einzelne Wörter und beschrieb mir den Weg: Rundpunkt, rechts, Park, links.
Als ich nach etwa 40 Minuten in der Stadt ankam, war ich so genervt, dass ich überlegte, direkt wieder den nächsten Bus zurück nach Perth zu nehmen. Ich ging zum Besucherzentrum und erwägte nochmal verschiedene Alternativen, doch das ging alles nicht, daher rief ich die Busfirma an. Es war zu spät, ein Ticket zu buchen, aber es gab noch genug Plätze, so dass ich am Bus ein Ticket kaufen könne, erfuhr ich. Ich ging also in ein Café, etwas essen und rief über das W-Lan dort meine Mails ab: Die Surfschule hatte zurück geschrieben! Sie würden mich morgen 10.30 Uhr abholen…! Zum Glück hatte ich ja noch kein Ticket gebucht und mit Hilfe des Besucherzentrums fand sich dann doch noch eine (einzige noch freie) Unterkunft unter 100 $ die Nacht.
Dort bin ich nun seit gestern; Freakhostel Nr. 3. Die Leute gehen hier wenigstens nett auf einen zu und vor allem liegt es direkt im Zentrum. Aber sonst… Gerade sprayt sich neben mir einer gefühlt 23 Kilo Haarspray auf seine zuvor ausführlich mit Glätteisen bearbeiteten Haare, weil ein Kumpel gerade reinkam und ihm erzählt hat, dass es in einer Karaokebar Estländerinnen gebe, die einfach rumzukriegen seien. Ein Italiener ist high, nachdem er seinen gestern erst bekommen Job als „wierer“ (Draht-Zieher im Weinberg oder sowas) heute verloren hat. Der komischste Vogel ist aber ein 55-Jähriger, der aussieht wie 70 und hier im Hostel wohnt. Der hat mir heute Morgen in der Küche über eine Stunde lang konfuses Zeug erzählt. Von seinem Bruder, der 5000 $ pro Woche verdiene, über Verträge der Israelis und wie die mit dem Concord-Unglück und dem Papstbesuch zusammenhingen bis hin zu dass er den Nasdac vorhersagen könne, weil sich immer alles 55 Tage, nachdem etwas passiert ist, ändere, und und und, ohne Punkt und Komma! Ich höre mir bei solchen Leuten immer vergleichsweise lange an, was sie (für einen Mist) zu sagen haben, weil ich hoffe zu erfahren, warum die so geworden sind. Drogen? Psychische Krankheit? Eine Antwort, die zur gestellten Frage („What made you change your life?“) passt, war aber aus diesem Kerl nicht rauszukriegen („The forrest disappears, no green here, on St Patrick’s Day, 325 days after China buys US-Dollars…“). Nun, zum Glück wurde ich dann ja zum Surfkurs abgeholt…
Der war echt gut. Wir hatten Sonne, tonnenweise große Wellen und auch eine starke Strömung. ((Der Typ hat sich grad schon wieder Haarspray draufgemacht! Wann ist die Flasche leer??)). Durch die heftige Strömung war es sehr anstrengend, durch die ganzen Wellen (von hinten und von vorne, „backwash“ heißt das, hab ich heute gelernt) immer wieder mit dem Surfbrett zurück ins Meer zu kommen. Ich war dann schon nach einer guten Stunde so kaputt, dass ich, obwohl es immer wieder super Wellen gab, es gar nicht mehr schaffte, aufzustehen! Deshalb freue ich mich schon auf Morgen (hab n 3-Tage-Kurs gebucht, is aber unklar, ob der dritte Tag stattfindet), wo ich dann mit frischer Kraft hoffentlich das heute Gelernte umsetzen kann.
P.S. Unfassbar!! Der Typ hat sich gerade zum dritten Mal Haarspray draufgemacht!!!
1) Der Blödsinn erzählende Dauerhostelbewohner
2) Gehwegreiter in Margret River
3) Die Surfprofis bei der Arbeit am Rivermouth Beach, Margret River (auch „Riverdog“ genannt) – von meinen lustigen Surfversuchen gibt’s zum Glück keine Beweisfotos 😉